Freitag, 27. Juni 2014

Adrianos - e la vita è bella

Das Adrianos, nehmen wir es gleich vorweg, ist ein Café, so wie es in jeder Stadt eines geben sollte, wie es aber vermutlich nur in Bern möglich ist.


Im Adrianos, einer Cafébar - mit rundem Eckfenster wie die Bar auf Edward Hoppers berühmten Bild Nighthawk - gleich gegenüber dem Zytgloggeturm scheint die Zeit noch ein wenig langsamer zu gehen als sonst schon in Bern. Das Mobiliar mit dem Zinktresen und dem schön gekachelten Fussboden erinnert ein bisschen an die 50/60er-Jahre.


Seit der Gründung 1998 ist das Adrianos eine Institution geworden. Während dem draussen die geführten Touristengruppen vor den grossen Fenstern vorbeiziehen wird drinnen zum morgendlichen Cappucchino Zeitung gelesen und hat man mal freie Sicht, wähnt man sich in einem Blumenladen.


Das sehr gemischte Publikum kommt schnell mal auf einen Espresso oder einen kleinen Tratsch, die Leute kennen sich und die Bedienung ist aufmerksam und herzlich. Den Sonnenschein geniesst man "im" Adrianos am besten auf der mediterranen Terrasse. Überhaupt hat das Café eine rechte Portion Italianità.


Am Mittag wird aus der Kaffeebar eine Brötlibar. Frisch zubereitet mit besten, oft hausgemachten Zutaten. Adrianos verwendet, wo immer es Sinn macht, Bio-Produkte. Slow Food ist hier kein leeres Marketingargument, es ist gelebte Philosophie, das spürt man im Gespräch mit Adrian Iten, dem Gründer und Namensgeber. Und deshalb gibt es hier auch keine Stange, kein Prosecco und kein Coca Cola! Iten und sein Geschäftspartner Sascha Müller investieren viel Zeit und Mühe ihren Gästen Produkte zu präsentieren, die geschmackvoller und nachhaltiger als der Produkte-Einheitsbrei der Schweizer Gastronomie sind.  Zum Beispiel: Slow Food Limonade aus Italien, Gazzosa aus dem Tessin mit Bitterorangen oder Heidelbeeren, Premium Cola aus Hamburg, Franciacorte aus den Trauben Chardonnay/ Pinot Noir anstelle von Prosecco oder das Adrianos Bier - ein Zwickelbier von der Aarebier-Brauerei in Bargen, eigens für fürs Adrianos gebraut.
Am frühen Abend dann wird das Adrianos zu einer Apérobar und später zu einer Cocktailbar. An diesem beliebten Treffpunkt ist immer was los.

Kürzlich seien am Mittag zwei Jugendliche vorbeigekommen und hätten nach Sandwiches gefragt erzählt der zum Stadt-Original gewordene Adrian Iten. Sie hatten aber nur rund zehn Franken dabei und wollten wissen, was sie dafür bekämen. Nach einem kurzen Hin- und Her stellte sich heraus, dass es Schüler auf einem Ausflug waren die ihr Geld lieber in etwas Feines stecken wollten als in einen Hamburger der amerikanischen Kette vis-à-vis, so wie die restlichen Schulkollegen. Vor lauter Freude über eine solche Einstellung offerierte Iten ihnen die die zwei besten Sandwiches auf der Karte und meinte, sie sollten dies ruhig ihren Klassenkameraden erzählen.


Was wäre ein Café ohne eigene Rösterei? Weniger als nur halb so gut! Man sagt, Adrian Iten - erkennbar an der Brille auf dem Kopf - wäre der beste Barista von Bern. Kein Wunder deshalb, dass er jeweils Dienstag und Freitags seinen eigenen Kaffee röstet. Seine Philosophie macht hier natürlich nicht plötzlich halt und so entsteht Slow Coffee erster Güte. Reto Sigrist, der Röstmeister, röstet den meist direkt gehandelten Kaffee (weil bei Direct Trade die Bauern noch mehr erhalten als bei Fair Trade) nur in kleinen Chargen, nach Sorten getrennt, in der traditionnellen Trommelmühle.


Den frisch gerösteten Kaffee bekommt man auch, gemahlen oder ungemahlen über die Gasse. Und wer zu Hause lieber mit Pads seinen Kaffee zubereitet, dem bietet Iten seine eigene Maschine "the else" an.


Adrian Iten ist einer, der es ganz genau wissen möchte. Es ist ihm wichtig zu wissen woher der Kaffee kommt, wie die Anbau- und Arbeitsbedingungen sind, er möchte das soziale Umfeld kennen und nicht nur wissen, was die Qualität seiner Bohnen ausmacht sondern auch verstehen. So reist er alle zwei Jahre in ein Anbaugebiet, trifft sich mit den Produzenten und lernt Land und Leute kennen. Für dieses Jahr plant er eine Reise nach Äthiopien, nach Kaffa, in die Heimatregion des Kaffees. Dort möchte er die Bauern besuchen die noch den ursprünglichen Wildkaffee ernten.


Aus markenrechtlichen Gründen bietet Adrianos den aus Kaffa stammenden Wildkaffee unter dem Namen Kuti an. Oben im Bild ein perfekt zubereiteter, köstlicher Espresso, dazu ein leckerer Gianduja-Würfel aus dem Piemont. Unten das Ende eines Cappuccinos.


Wenn Sie also wieder mal in Bern sind, verehrte Leserin, verehrter Leser, nehmen Sie sich eine Auszeit, geniessen Sie einen Kuti im Adrianos e la vita è bella.


Und welches ist Ihr Lieblingscafé?

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