Donnerstag, 26. Februar 2015

Die Kaffeemaschinen-Typologie

Bereits Jean Anthelme Brillat-Savarin wusste um unsere liebste Teilzeitbeschäftigung, das Schubladisieren unserer Mitmenschen: Sag mir, was Du isst, und ich sage Dir, wer Du bist. Inspiriert durch Michèle Binswangers "Statussymbol des domestizierten Mannes" versuchen wir uns heute in der Kaffeemaschinen-Typologisierung. 

http://www.keesvanderwesten.com/speedster_history.html

Die Typologisierung war vor allem in Marketingkreisen beliebt, um ein Zielpuplikum zu definieren, frei nach dem Motto: Sag mir, welches Auto Du fährst, und wir sagen Dir, welche Kaffeemaschine Du brauchst. Leider ist der Konsument heute immer schwieriger geworden und lässt sich nicht mehr ganz so einfach schubladisieren, er "zappt" von einer Schublade in die andere. Die Welt wurde zum Dorf und der Dörfler zum, wenn auch nicht a fortiori weltgewandten Mann so doch zum Multi-Kulti-Chamäleon. Dies sehr zum Leidwesen aller Werbefritzen, die sich nun tatsächlich mit den heterogenen Bedürfnissen der Konsumenten auseinandersetzen müssen. Aber vielleicht kann ja unsere, nicht ganz ernst gemeinte, Kaffeemaschinen-Typologie ein wenig Ordnung ins Chaos bringen.



Der Anspruchsvolle

Dieser Typ hat seine Kaffeemaschine als Statussymbol, sei es eine Bezzera, La Marzocco, ECM oder Olympia, Hauptsache auf Hochglanz polierter Chromstahl. Hauptsache zwei Wasserkreisläufe und viele Hebel, Ventile und Manometers. Hauptsache eine separate Mühle. Und über allem steht das Ritual. Das Geräusch der Mühle beim Mahlen, das Tampen, das satte Plong der vorgewärmten Tassen auf dem Abtropfgitter, die Crema, das Schlürfen und Geniessen und, ganz wichtig, das zweimalige Ausklopfen des Kolbens auf dem Rundholz. Italienisches Barfeeling in den eigenen vier Wänden. In der Garage steht ein Porsche und ein Alfa Romeo Cabriolet für die Dame. Gegessen wird Seiden-Tofu, veganes Granola (das früher Knusper-Müesli hiess) und ab und zu ein zartes, argentinisches Filet vom Dieter Meier mit Sprossen als Dekoration.


Der Klassiker

Der Klassiker fährt einen Audi Kombi mit Allradantrieb. In der Küche steht ein Kaffee-Vollautomat, vermutlich von Jura. Qualität und Tradition sind Werte die hochgehalten werden. Im Kühlschrank steht neben dem Kaffeerahm von Emmi eine Flasche Valser und eine Flasche Aigle les Murailles, auch als Eidechsli Wy bekannt. Der Kaffee-Vollautomat bedient alle Wünsche, vom Frühstücks-Latte Macchiato (wer trinkt den heute noch Cappuccino?) zum Espresso nach dem Mittagessen. Vom entkoffeinierten Kaffee Pflümli für den Vater, der am Nachmittag zum Jassen kommt, bis zum Heisswasser für den Verveine-Tee für die Dame vor dem Schlafengehen. Diese fährt übrigens im Mini zum Einkaufen und entsorgt die leeren Eidechsli- und PET-Flaschen in den Container neben dem Volg. Dort sind nämlich gerade die Geranien für die Balkonkistli in Aktion.


Der Pragmatiker

Der Pragmatiker arbeitet im Büro, wohin er mit dem Zug pendelt. Für ihn muss alles möglichst praktisch, sauber und so nahtlos sein wie der SBB-Fahrplan. Er möchte zu Hause den gleichen Kaffee trinken wie in der Firma. Nichts geht also über eine Kapselmaschine. Hebel hoch, Kapsel rein, Hebel runter. Tasse drunter und Knopf drücken. Fertig ist der perfekte Kaffee. Wenn nur nicht die Auswahl an dezent bunten Kapseln so gross wäre. Dazu gibt's ein Stück Ritter-Schokolade, quadratisch, praktisch, gut. Am Wochenende wird gebikt und mit der Freundin trifft man sich im Starbucks. Wer hätte es gedacht, dem Pragmatiker ist fairer Handel und der Schutz der Umwelt wichtig. Deshalb benutzt er am liebsten die nespressokompatiblen Kapseln von Kaffa Wildkaffee. Er ist der lebende Beweis des Multi-Kulti-Chamäleons, kein Öko-Fundi aber solange es nicht zu kompliziert ist, konsumiert er bewusst. Der Starbuckskaffee ist UTZ-zertifiziert und die Ritter-Schokolade in Bio-Qualität.


Der Purist

Der Purist kennt nur eines: die gute alte Bialetti Moka Express. Er mag es schlicht und einfach. Aber gut muss es sein. Der Purist macht keine Kompromisse, er mag schnörkelloses Design, reduziert auf's Maximum. Er könnte Werber sein, weil alle Werber, die nicht zum Typ "Anspruchsvoll" gehören, Puristen sind. Seine Bialetti nimmt er auch mit auf sein Outdoor-Weekend (früher hiess das noch Wandern). Dann macht er in der wilden Natur ein Feuer, bastelt einen Grill, mahlt den Kaffee frisch (!), schöpft Quellwasser aus dem Bergbach, geniesst barfuss zwischen Alpenrosen auf der Alpwiese stehend seinen unglaublich aromatischen Mocca und kratzt sich seinen gepflegten Vollbart. In die schönsten Winkel der Schweiz, die er aus dem Magazin Transhelvetica kennt, würder er am liebsten mit einem alten Fiat 500 fahren, aber das dauert ihm zu lange. Ein Tesla Model S und die unverwüstliche Bialetti verkörpern seinen Lifestyle perfekt.


Der Hipster

Der Hipster kurvt, die Beinumschläge seiner Chinos in die Socken gestopft, mit dem Fixie durch die Stadt, auf dem Rücken den Lederrucksack. In diesem hat er, nebst einer Packung frisch gemahlenen Wildkaffee, Filterpapier und seine heiss geliebte Chemex. Mit Vale, Laura und Anna bereit er den nächsten Slow Food Youth-Anlass vor. Das gibt dem urbanen Vollblut die trendige und authentische agri-kulturelle Bodenhaftung. Auch er liebt das Ritual des Kaffeebrühens, zelebriert es mit minutiöser Gelassenheit. Er hat Sensorikkurse besucht und kann einen Kaffee rein vom Geschmack einem Kontinent zuordnen. Das einzige was ihn ein wenig bekümmert, ist die Tatsache, dass Hipster irgenwie nicht mehr so recht in Mode sind. Aber dank seinem ausgeprägten Gespür für Trends ist er der grossen Masse sowieso immer einen Schritt voraus.

Der Genügsame
Der Genügsame ist sozusagen der Anti-Kaffeemaschinentyp. "Kommt gleich zur Sache, Karrieretyp, empfindet sich als Erfolgsmenschen. Motto: Alles, was ich will, ist alles." So beschrieb Nestlé 1995 den Instant-Kaffeepulver-Typ. Wir gestehen ein, manchmal ist Instant-Kaffee ganz schön praktisch, aber wenn Sie lieber gar keinen Kaffee trinken als solchen, dürfen Sie auf mehr als nur unser Verständnis zählen ...




Nun stellt sich die Frage, ob für diese Typen auch die weibliche Form gilt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen behaupten wir "Nein". In unserem Kulturkreis sind Frauen weniger an Kaffeeritualen interessiert, vor allem so lange diese nur der Zementierung von Status gelten. Frauen sind die ganze Zeit schon anspruchsvoll, pragmatisch, klassisch und schlicht. Beim Kaffee möchten sie vor allem eines: Geniessen!


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