Donnerstag, 19. März 2015

Wie wähle ich einen Kaffee der Geschmack hat?

Einen Kaffee zu trinken ist einfach. Einen Kaffee mit einem unvergleichlichen Aroma auszuwählen, ist Sache eines Connaisseurs. Und das zu werden ist einfach, aber auch schwierig. Die gute Nachricht vorweg, jeder kann es werden. Sogar unser Schreiberling. Den haben wir einfach an einen Einführungskurs Sensorik bei den Kaffeemachern in Basel geschickt. Nachfolgend sein ganz persönlicher Bericht über Aha-Erlebnisse und Stolpersteine auf dem Weg zum Kaffee-Connaisseur.


Dass die vorherige Nacht wegen endloser Weltverbesserungsdiskussionen recht kurz war, bereitete mir eigentlich keine allzugrossen Sorgen, denn ich würde ja den ganzen Tag Kaffee trinken. Dachte ich. Und richtig, es gab auch gleich zu Beginn eine Tasse voll von diesem heissen, starken und schwarzen Göttergetränk. Aber was für eine Plörre! Ich, der nur Espressi, Ristretti, Coretti und manchmal, aber nur in Italien (!), einen Capuccino trinke, traute mich aber nicht, das laut zu sagen, denn neben mir sass Benjamin Hohlmann, Schweizer Brewing Meister 2014 und 2013 Vize-Schweizermeister beim Cup Tasting, der Paradedisziplin, wenn es um die sensorielle Analyse von Kaffee geht. So schmeckt also der vielgelobte Filterkaffee. Ich war gespannt wie es weitergehen würde.


Nach einer kleinen, aber reichen Einführung in die sensorische Evolution durch Philipp Meier, unseren Kursleiter, und einem theoretischen Exkurs in die Welt der Sinnesorgane ging es dann auch schon zur ersten praktischen Erfahrung über. Aber nix da mit Kaffee trinken. Erst mussten wir unsere Zunge kennenlernen. Dazu gab es vier verschiedene Wasser zu erkennen, salzig, süss, sauer und bitter. Dann mussten wir in einem weiteren Test 16 verschiedene Wasserlösungen erst nach Geschmack und dann nach Intensität sortieren. Das war weniger schwierig als gedacht, auch wenn ich nicht in allen vier Dimensionen des Geschmacksinns sattelfest war. Beim WAS? hatte ich keine Probleme, salz, süss, sauer oder bitter zu benennen, beim WIE? war die Intensität zu bestimmen. Das geht am einfachsten mit einer Rangordnung. Beim "WO auf der Zunge verspüre ich den Geschmack?" lag ich komplett daneben, ich bin sicher, da wurde mir bei der Geburt was verpfuscht. Und beim "WANN fängt die Wahrnehmung an, wann hört sie auf?" war ich mir auch nicht so sicher. Ich finde das bei Tönen viel einfacher zu bestimmen. Die nächste Folie der Präsentation hat mich dann mit meinem Schicksal wieder versöhnt denn dort stand: "Letztendlich ist die sensorische Wahrnehmung sehr individuell. Jeder und jede sollte deshalb eine eigene Zungen-Karte zeichnen." Eine eigene Zungen-Karte habe ich mir nie gezeichnet, aber dafür immer wieder bewusst geschmeckt.

In einem nächsten Schritt wurden dann die gemachten Erkenntnisse an verschiedenen Kaffees ausprobiert. Jetzt wurde auch ich langsam wach. In einer ersten Übung ging es ganz einfach darum, Süsse, Bitterkeit und Säure zu bestimmen. Im zweiten Schritt dann mit Hilfe des speziell für den Kaffee entwickelten Aromarades den Geschmack zu definieren und im dritten Schritt die Intensität der Säure. So war die erste Stufe des Cuppings, wie die sensorische Analyse beim Kaffee heisst, erreicht. Bis hierhin kein Hexenspiel, auch wenn es auf dem Degustationstisch schon recht kompliziert aussehen mag. Wir wurden sehr aufmerksam durch die Übungen begleitet und mit vielem Fachwissen versehen. Dazu gehörte auch das perfekte Schlürfen, welches man sich, je nach persönlicher Vorliebe, vom Kursleiter und Juror an der Barista-Weltmeisterschaft oder vom Schweizer Brewingmeister abschauen durfte. Beim einen war es ein sehr kurzes, trocken-knackiges Schlürfen, beim anderen ein eher fleischiges Schlürfen, begleitet von einem Doppelklopfen mit dem Löffel auf dem Tisch. Bei den Damen im Kurs ein eher verschämtes Schmatzgeräusch und bei den sogenannten Herren der Schöpfung könnte ein aussenstehender Beobachter vermuten, dass der, der am lautesten schlürft den Kaffee am besten analysiert. So wurden wir alle ziemlich zufrieden mit dem erreichten in die Mittagspause entlassen.

Der zweite Teil des Kurses, der übrigens normalerweise an zwei Abenden angeboten wird (und deshalb wohl eher nur für Leute aus dem Raum Basel interessant ist) wurde dann ziemlich anspruchsvoll. Als zusätzliche Schwierigkeit bzw. Analysekriterium wurde der Körper des Kaffees hinzugezogen. Als Körper wird die Fülle im Mund beschrieben. Körper ist ein Gefühl im Mund, aber keine geschmackliche Komponente – die Qualität des Körpers aber beeinflusst die Wahrnehmung. Um eine Sensiblität dafür zu entwickeln testeten wir erst Milch in verschiedenen Fettgraden. Auch hier sollte die richtigen Reihenfolge herausgefunden werden. Beim Körper geht es in einer ersten Analyse um die Qualität und in einem zweiten Schritt dann um die Intensität, welche in fünf Grade unterteilt wird. Hilfreich stehen da beschreibende Adjektive wie wässrig, seidig, sirupös, rund, voll oder umhüllend zur Verfügung. Für mich war das der schwierigste Teil des Seminars. Es ist aber auch hier wie immer im Leben: Übung macht den Meister und von diesen ist noch keiner vom Himmel gefallen. Wer also einen Kaffee mit unvergleichlichem Aroma finden will der kommt ums Üben nicht umhin. Dafür eröffnen sich ihm ungeahnte Aromenwelten und Geschmackserlebnisse. Das war auch sehr spannend im Kurs, da gab es viele aussergewöhnliche Kaffees zu degustieren, einer schmeckte gar nicht nach Kaffee sondern eher nach Tee und ein anderer recht stark nach Liebstöckel, Petersilie, bzw. Bouillon, der Aromenvielfalt sind keine Grenzen gesetzt.

Es gäbe noch ganz viel zu schreiben über diesen sehr zu empfehlenden Einführungskurs Sensorik. Zum Beispiel über die spezielle Kaffee-Zubereitung für ein Cupping, über die Beeinflussung des Geschmacks durch die Röstung und die verschiedenen Zubereitungsarten für den Kaffee im generellen, über die Wichtigkeit des Wassers, 98,5% des Inhalts einer Kaffeetasse ist Wasser und vieles andere, so reichhaltig war der Kurs. Hier aber nur noch ein paar persönliche, ungeordnete Randnotizen, gerade zum Beispiel zum Wasser. Das fand ich spannend, 98,5% Wasser, angereichert mit 1,5% Kaffee, kann wässrig werden, was eine unerwünschte Qualität ist. 100% Wasser würde man aber nie als wässrig bezeichnen sondern eher als rund, also positiv besetzt. Ein weiterer Punkt ist die Visualisierung in Formensprache von Geschmack wie eben rund oder spitzig, kantig usw. Das hilft einem gut bei der Definition eines Geschmacks. "Geschmack" ist übrigens salzig, süss, sauer oder bitter. Eine "Geschmacksnote" ist, wenn es nach etwas schmeckt, Himbeeren, Schokolade, Liebstöckel oder Vanille. Eine Geschmacksnote ("flavor" auf engl.) ist das Zusammenspiel von gustatorischem Geschmack ("taste"), olfaktorischem Aroma und der Textur, welche als einziger Faktor (noch) nicht von einer Maschine bewertet werden kann. Die Viskosität einer Textur kann gemessen werden, die Konsistenz allerdings nicht. Und genau das Beherrschen dieses Zusammenspiels macht das "Werkzeug Mensch" einzigartig.

Und wenn Sie jetzt den Mut verloren haben, so wie es mir beim Heimfahren ging, bestellen Sie doch einfach eine Packung milden Wildkaffee und eine Packung Espresso und vergleichen Sie. Fangen Sie ganz einfach damit an, an allem zu riechen und den Aromen nachzuspüren. So trainieren Sie Ihre Geschmacksbibliothek und werden von mal zu mal belesener. Und Sie werden staunen, wie schnell Sie plötzlich anfangen, Kaffee zu verstehen und zu einem wahren Connaisseur werden. Wir wünschen Ihnen viel Spass auf dieser fantastischen Reise.

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